-DIE SCHUTZBEFOHLENEN
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Schauspiel Elfriede Jelinek
Theater Freiburg 2014

Elfriede Jelineks Text entstand im direkten Umfeld der Wiener Flüchtlingsproteste vom Winter 2012, als eine Gruppe Asylsuchender gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik protestierte und freie Wahl des Aufenthaltsortes, Zugang zum Arbeitsmarkt, der Anerkennung sozioökonomischer Faktoren als Asylgrund und menschenwürdiger Unterbringung forderte. Seit den Protesten und Hungerstreiks in Wien, die sich über ein Jahr hinzogen, hat sich – europaweit – die Lage nur weiter verschärft. Seit Jahresbeginn kamen bereits über 3000 Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer ums Leben, seit dem Jahr 2000 sind es geschätzt 17 000 Tote. Die „Mehrheitsgesellschaft“ ist gespalten zwischen Solidarität, Überforderung und Abwehr, während die sogenannten „Erstaufnahmestellen“ aus allen Nähten platzen und es in vielen Kommunen am Nötigsten fehlt: Es ist ein System im dauernden Krisenmodus, ein humanitärer Lackmustest für Europa.


Vor diesem Hintergrund nähert sich Elfriede Jelinek der Lage mit einem für sie bewährten Verfahren. Sie um-schreibt das Thema zwischen Tagesaktualität und Mythos, zwischen Tages-Schau und zivilisatorischer Ur-Erfahrung. Sie über-schreibt das älteste bekannte Theaterstück (Aischylos Die Schutzflehenden) mit Bildern und insbesondere Stimmen aus Wien und Lampedusa, vergreift sich am Jargon der Bürger ebenso wie an Heidegger, konterkariert die Schicksale der Schutzbefohlenen mit denen privilegierterer EinwanderInnen (wie etwa der „Blitzeingebürgerten“ österreichischen Staatsbürgerin Anna Netrebko), schließt diese kurz mit verschiedenen Motiven aus Ovids Metamorphosen und dekonstruiert den Wertekatalog der – real existierenden – Broschüre „Zusammenleben in Österreich“ des Österreichischen Innenministeriums. (Kaum zu glauben, aber wahr –mit Sätzen wie: „Freiheit kann ein Gefühl sein, wie man es etwa beim Sport und in der freien Natur – beim Skifahren in den Bergen – erlebt“ soll da Asylsuchenden das „Fundament der Werte“ vermittelt werden.) In diesem Spannungsfeld schreibt, schimpft, lamentiert, protestiert und kalauert die Nobelpreisträgerin gegen den Verrat am Menschenrechtsgedanken selbst. Wie immer ist die Sprache der zentrale Schlachtplatz ihrer unnachgiebigen Auseinandersetzung mit der rassistischen und ausgrenzenden europäischen Abschottungspolitik.  


Mit:
Mila Dargies / Johanna Eiworth / Jürgen Herold / Holger Kunkel
Regie / Bühne / Kostüm: Michael Simon
Video: Ariane Andereggen
Format: 5 Kanal-Installation auf der Bühne
Dramaturgie: Julia Reichert
Assistenz Bühne: Johannes Storch / Caroline Stauch
Inspizienz: Arno Fliegauf
Videostills: © Ariane Andereggen / Theater Freiburg /

 

weiter Vorstellungen:

18.6 / 27.6 / 10.7 20h 


Information:
Theater Freiburg

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PRESSE

Michael Simon